Reportagen

VERBORGENE SCHÄTZE!

Nachhaltig shoppen bei Elfie & Ignaz

Mit viel Feinsinn und Trendgespür wählt Elfie neue Schätze aus.

Den eigenen Räumen oder der Garderobe einen besonderen Charme verleihen. Günstig und nachhaltig erworben, weil das Gekaufte ansonsten entsorgt worden wäre. Für Sonay Hardt und Yavuz Cobanli ein erstrebenswerter Ansatz: In einer stillgelegten Druckerei verkauft das Pärchen auf 1.000 m2 Secondhand-Schätze. Das selbsternannte „Vintage-Institut" trägt die Spitznamen der beiden: Elfie & Ignaz.

Wer unweit der spar+bau-Zentrale an der Christuskirche links in die Oberstraße einbiegt, entdeckt nach etwa 100 Metern eine Toreinfahrt mit der Überschrift „Elfie & Ignaz". Freudig werden Besucher auf dem Hof von zwei kleinen Hunden begrüßt. „Das sind Emma und Bonnie, unsere Security", lacht die Geschäftsführerin Sonay Hardt, die von allen Elfie genannt wird, in der Eingangstür.

Was für eine Fundgrube!

Beim Betreten der großen Halle auf zwei Etagen fällt schnell auf: Das kreative sogenannte Vintage-Institut ist eine Goldgrube für Schatzsucher! Hier gibt es für nahezu jedes Alter und jede Statur Hochwertiges zum kleinen Preis. Unter der gut erhaltenen Ware finden sich 70er-Jahre-Stiefel, coole Sneakers, schicke Kleider und Anzüge, trendige Mäntel, jede Menge Möbel und vieles, vieles mehr.

Geschäftsfrau Elfie wählt jedes einzelne Teil mit viel Feinsinn und Trendgespür aus: „Ich versuchte mal, die aussortierte Kleidung meiner Kunden zu verkaufen, hatte dann aber plötzlich ganz viel Standardware."So verkaufte sie anfangs noch aus ihren eigenen Beständen. Heute erhält die Geschäftsfrau ihre Ware deutschlandweit von Flohmarkthändlern.

Ebenso verhält es sich mit den Vintage-Möbeln, etwa ein restauriertes 70er-Jahre-Sofa für 180 Euro. Das könnte ebenso gut, allerdings mit einer Null hinter dem Preis, in einem Designer-Store stehen. „Wir pflegen eine große Wertschätzung für unsere Ware und stecken viel Arbeit in die Restauration, aber für unsere Kunden sollen die Kosten moderat bleiben", so die Inhaberin.

Startschuss für Elfie & Ignaz

Die Affinität zu Farben, zum Handwerk, Gestalten und Verschönern erbte die 47-Jährige von ihrer Mutter. Im Alter von 23 Jahren bekam Elfie selbst die erste von zwei Töchtern. „Als mein Ex-Mann später alles mitnahm, musste ich kreativ werden und meine Wohnung neu gestalten. Da rief ich alles ab, was mir meine Mutter beigebracht hat."

Das Restaurieren alter Möbel und die Raumgestaltung wurden zur Passion. So absolvierte die Alleinerziehende nach einer Ausbildung im Gastronomie- und Eventbereich eine weitere zur Malerin und Lackiererin. 2006 machte sie sich selbstständig und peu à peu einen Namen mit ihren Einrichtungsideen und Farbkonzepten, bis heute etwa für das indische Restaurant Taj Mahal, das Hotel Mecklenheide, das Old Printing House und viele Interieurs von Privatmenschen, in denen auch die Elfie & Ignaz-Möbel ihren Platz finden. „Ich berate gern, komme zur Wohn- und Stilberatung nach Hause oder berate einfach anhand von Fotos, die mir Kunden hier zeigen."

2012 lernte sie Yavuz kennen und lieben. Ein Jahr später gründete sie mit dem gelernten Einzelhandelskaufmann, dessen Spitzname Ignaz ist, das Vintage-Institut. „Erst war Ignaz nur meine Muse", sagt Elfie. Doch dann entdeckte der 44-Jährige auch seine Freude daran, Möbel zu restaurieren.

Nachhaltig – weil’s besser ist

Elfie behält stets den Überblick und ist gern bei der Auswahl behilflich.

„Mit unserem Ladenkonzept wollten wir von Anfang an ein Statement gegen Fast Fashion und billig produzierte Neuware im Möbelsegment setzen", erklärt Ignaz, während er eine Kommode aus der Biedermeierzeit streicht. „Diese Möbel sind in hochwertiger Handwerksqualität für Jahrhunderte als Erbstücke erbaut. Ich stehe dann immer ganz ehrfürchtig davor." Deshalb sei auch alles, womit er arbeite, umweltfreundlich: „Unsere Kreidefarbe hat ein Ökosiegel. Da weiß man, dass man das auch ins Kinderzimmer stellen kann."

Auch die Kleidung wurde, im Gegensatz zur Fast- Fashion-Ware, vor einigen Jahrzehnten noch in besserer Qualität hergestellt. „In ihnen befinden sich noch Materialien wie Seide oder hochwertige Wolle wie Kaschmir. Das ist heute so teuer, dass man sich das unter Umständen gar nicht mehr leisten kann. Hier kann man noch Kaschmirpullover für 20 bis 30 Euro finden."

Was Ignaz und Elfie besonders fasziniert, sind die Geschichten, die mit den Möbeln und Kleidern verbunden sind. Ignaz erzählt von Liebesbriefen, die er in einer Truhe fand. „Sie lernten sich während des Krieges kennen, fanden nie zueinander, aber schrieben sich bis in die 60er-Jahre. Als ich die Briefe las, bekam ich Gänsehaut."

Vintage

Der Begriff „Vintage" (engl. „altmodisch", „klassisch" oder „aus einer bestimmten Zeit") ist eine Stilrichtung in Mode und Design, bei der meist ältere, gebrauchte Kleidungsstücke, Möbel, Musikinstrumente, Schmuck, Accessoires, Bilder und andere Gebrauchsgegenstände wiederverwendet werden.

Vintage und Veranstaltungen

Der Barbereich besteht aus alten Gerüstbohlen und Schränken.

Nach der Übernahme der Verkaufsräume in der Nordstadt renovierte das Paar den langen Keller gleich mit. Elfie dachte: „Ein perfekter Laufsteg!" Die Eltern von zusammen drei Töchtern organisierten kurzerhand die Show „Dressed Underground". Über hundert Leute kamen gleich zur ersten Modeschau. Mit Werbung über Flyer, das Fahrgast-Fernsehen und das Social-Media-Portal Instagram wurde die Show bekannter. Und bei der letzten schaute sogar das TV-Team von Sat 1 vorbei, um einen Beitrag zu drehen.

Mit der großen Halle setzte das Team einen weiteren Traum um: Veranstaltungen wie Live-Konzerte, Hochzeiten, Fotoshootings, Videodrehs und Workshops für das Restaurieren alter Möbel. Heute hat das Paar sieben Angestellte. „Elfie & Ignaz ist unser Leben", sagt Ignaz. „Wir arbeiten hier, wir empfangen unsere Gäste hier. In meinen Augen ist das richtig. Ich bin glücklich."

Sesam öffne dich

Ignaz geht gern seiner großen Leidenschaft nach: der Möbelaufbereitung.

In der zweiten Etage befinden sich auf den ersten Blick hauptsächlich Möbel, Lampen, Bilderrahmen und Porzellan. Doch am hinteren Ende, durch eine Schranktür gehend, eröffnet sich der sogenannte Secret Room. Hier finden Markenfans topaktuelle Mode von exklusiven Designern, die auch maßgeändert wird. „Während Corona mussten wir uns etwas einfallen lassen. In dem Zuge kam die nachhaltige Neuware dazu: Hochwertige Shooting-Teile, die in der Regel im Anschluss an die Werbefotografie vernichtet werden." Elfie kauft diese auf und verkauft sie hier zum halben Preis. Marken von Vivian Westwood über Victoria Beckham bis hin zu Missoni lassen das Designerherz höherschlagen. „Wir tun was für die Umwelt, weil wir die Kleidung vor der Vernichtung retten."

Shoppen mit gutem Gewissen

Die Modeindustrie wird von Fast Fashion dominiert. Das bedeutet: Kleidung so schnell und so billig wie möglich herzustellen. „Das geht leider nur, wenn an anderen Stellen gespart wird", sagt Elfie. Schlecht bezahlte Arbeitskräfte, einfache Verarbeitungsweisen und günstige Materialien stehen dabei obenan. Die für den Färbeprozess verwendeten Substanzen kontaminieren zum Beispiel die Gewässer und vergiften die Gesundheit der Menschen, die in China oder Indien unter teils fatalen Bedingungen arbeiten müssen. Von den CO₂-Ausschüttungen für die Transportwege ganz zu schweigen.

Zum Glück tut sich was

Verschiedene Studien belegen ein wachsendes Bewusstsein für nachhaltige Secondhand und Vintage-Ware. Laut des Statistik-Portals Statista.de werden zunehmend gebrauchte Produkte wie Bekleidung, Möbel, Bücher und Elektronikartikel gekauft. Die Nachfrage sei weltweit in den letzten Jahren deutlich gewachsen. So stieg im Jahr 2021 der Anteil der Deutschen, die beispielsweise schon einmal Mode aus zweiter Hand erworben haben, auf rund 67 Prozent.

Für den Kauf von Vintage spricht in puncto Nachhaltigkeit also einiges: Die Secondhand-Ware wurde bereits produziert und ältere Kleidung sowie Möbel weisen mit Blick auf das Material und die Verarbeitung höhere, langlebigere Qualitätsmerkmale auf.

„Mit dem Kauf von Vintage-Produkten können wir allmählich den Weg finden, zu einem nachhaltigeren, umwelt- und menschenfreundlicheren Konsumverhalten."

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